BFH bestätigt erneut die Schätzung der Restnutzungsdauer nach Maßgabe der ImmoWertV
Der Bundesfinanzhof hat sich mit einer Revision befasst, der zwei Streitpunkte zugrunde lagen. Das Finanzamt wehrte sich gegen eine deutlich verkürzte Restnutzungsdauer von 19 statt 50 Jahren. Außerdem war strittig, ob der Wert eines Nießbrauchs den Anschaffungskosten zuzurechnen sei und somit die Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung (AfA) erhöhe. Das Wichtigste zum BFH Urteil vom 23.01.2024 Der Bundesfinanzhof (BGH) mit Sitz in München hatte erneut unter anderem darüber zu befinden, wie Steuerpflichtige eine tatsächlich kürzere Restnutzungsdauer nachweisen müssen. Grund dafür ist die Revision des Finanzamtes, welches das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nicht akzeptieren wollte. Weiterhin ging es um die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung. Die Klägerin war der Auffassung, dass ihr Recht auf Nießbrauch die Anschaffungskosten und damit auch die AfA-Bemessungsgrundlage erhöhe. Die Ausgangslage Die Klägerin erhielt von ihrem verstorbenen Lebensgefährten einen lebenslangen Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück. Das Nießbrauchsrecht wurde im Erbvertrag geregelt, aber nicht ins Grundbuch eingetragen. Das Grundstück ist mit einem 1970 errichteten Bürogebäude mit Betriebswohnungen sowie einer Lagerhalle bebaut. Die Erben des Grundstücks und der Gebäude sind die beiden Söhne des Erblassers. Die Klägerin hat sich im Erbvertrag dazu verpflichtet, die bestehenden Verbindlichkeiten für die fremdfinanzierte Immobilie zu übernehmen. Einer der Söhne hat seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück im Jahr 2013 für 150.000 Euro an die Klägerin veräußert. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 machte die Klägerin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die auf die Gebäude entfallenden Anschaffungskosten Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 20.451 Euro geltend. Sie ging davon aus, dass die tatsächliche Nutzungsdauer der Gebäude nur noch sechs Jahre betrage. Einspruch gegen typisierten AfA-Satz erfolglos Das für sie zuständige Finanzamt veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß. Später wurde ein geänderter Einkommenssteuerbescheid erlassen, in dem die Abschreibung nur noch in Höhe des typisierten festen Satzes von zwei Prozent (50 Jahre Nutzungsdauer) anerkannt wurde. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung zu Gunsten der Klägerin aus vorliegend nicht streitigen Gründen. Im Übrigen wies die Behörde den Einspruch der Klägerin zurück. Klage vor dem Finanzgericht Gegen die Entscheidung des Finanzamts reichte die Nießbrauchsbegünstigte Klage vor dem Finanzgericht ein. Das Gericht erhob Beweis, indem es ein Gutachten bei einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken erholte. Der Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom 14. Juli 2020 nach Maßgabe der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und des Punkterasters der Anlage 4 der Sachwertrichtlinie eine gewichtete tatsächliche Restnutzungsdauer von 19 Jahren. Dieser Mittelwert ergibt sich aus einer modifizierten Restnutzungsdauer für das Bürogebäude (einschließlich der Wohnungen) von 27 Jahren sowie der Lagergebäude von zehn Jahren. Das Finanzgericht war der Ansicht, dass der Sachverständige nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Anschaffungskosten auf nur 19 statt 50 Jahre zu verteilen seien. Bei einem Gebäudeanteil von 55 Prozent, auf den sich die Beteiligten im Klageverfahren einvernehmlich verständigt haben, sei eine Absetzung für Abnutzung in Höhe von 14.287 Euro abziehbar. Höhere AfA-Bemessungsgrundlage durch Nießbrauchrecht? Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht machte die Klägerin neben der verkürzten Nutzungsdauer eine erhöhte Bemessungsgrundlage für die Abschreibung gelten. Mit dem Erwerb des hälftigen Miteigentums sei insoweit ihr Nießbrauchsrecht untergegangen. Der Wert dieses Rechtsverlusts sei Bestandteil ihrer Anschaffungskosten gewesen. Das Finanzgericht folgte dieser Auffassung, indem es der Ansicht war, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) vorlägen. Der kapitalisierte Wert des Nießbrauchs wurde, bezogen auf den hälftigen Mieteigentumsanteil, mit 332.400 Euro beziffert. Die Anschaffungskosten für die Gebäude erhöhten sich damit auf 496.996 Euro. Finanzamt beantragt Revision vor dem Bundesfinanzgericht Das unterlegene Finanzamt hat Revision vor dem Bundesfinanzgericht (BFH) beantragt. Dort vertritt es die Ansicht, das Finanzgericht habe rechtsfehlerhaft den Wert des Nießbrauchsrechts als Bestandteil der Anschaffungskosten angesehen. Das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht auch insoweit, als es die Voraussetzungen von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG für einschlägig gehalten habe. Weiterhin ist das Finanzamt der Auffassung, dass das Sachverständigengutachten nicht geeignet sei, eine kürzere als die gesetzlich typisierende Nutzungsdauer zu begründen. Aus dem Gutachten ließen sich die für eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer maßgeblichen Determinanten nicht ableiten. Während das Finanzamt die Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage beantragt, beantragt die Klägerin die Abweisung der Revision. BFH: Kürzere Restnutzungsdauer ist nicht zu beanstanden Der BFH entschied in seinem Urteil vom 23. Januar 2024 (Az. IX R 14/23), dass die Entscheidung des Finanzgerichts, die Gebäude-AfA nicht über 50 Jahre, sondern gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG über nur 19 Jahre zu verteilen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Der BFH begründete dies mit diversen bereits bekannten Aspekten der Rechtsprechung, nicht zuletzt aus vergangenen BFH-Urteilen: Wert des Nießbrauchsrechts keine Anschaffungskosten Hinsichtlich des Nießbrauchs, dessen Wert den Anschaffungskosten zugerechnet wurde, hält der Bundesfinanzhof die Revision für begründet. Das FG-Urteil verletze Bundesrecht, als es den kapitalisierten Wert des auf den erworbenen Miteigentumsanteil entfallenden Nießbrauchsrechts als Anschaffungskosten gewertet und in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Der kapitalisierte Wert eines lebenslangen, fortbestehenden Nießbrauchsrechts an einem Grundstück ist nicht Bestandteil der Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn der Nießbraucher das Eigentum am belasteten Grundstück erwirbt. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils, da der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht befinden kann, ob sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt. Die nicht spruchreife Sache geht an die Vorinstanz zurück. Das Finanzgericht als Vorinstanz wird im zweiten Rechtsgang zu befinden haben, in welcher Höhe neben den AfA für die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten weitere AfA nach § 7 Abs. 1 EStG auf das in Gänze fortbestehende Nießbrauchsrecht abzuziehen sind. Hierzu bedarf es Feststellungen zur Höhe der Darlehensverbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses sowie zur Laufzeit des Nießbrauchs. Folgen des BFH-Urteils In Anbetracht des anhängigen Urteils haben viele Finanzämter die Einsprüche vom Steuerpflichtigen gegen die Ablehnung einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer ruhend gestellt, um das Urteil des höchsten Finanzgerichts in Deutschland abzuwarten. Angesichts des eindeutigen Urteils dürften die Steuerpflichtigen in den kommenden Wochen positive Entscheidungen ihrer Finanzämter erhalten. Das Urteil bestätigt einmal mehr, dass der Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer, erbracht von einem Sachverständigen, von den Finanzämtern nur in den seltensten Fällen abgelehnt werden